Bevor jemand den Blutspender Fragebogen ausfüllt, sollte er/sie unbedingt die aufliegende Spenderinformation und die Spenderaufklärung durchlesen - und
zumindest bei ersten Mal WIRKLICH DURCHLESEN und nicht nur überfliegen.
Und ein "routinemäßiges" und gedankenloses Ausfüllen des Fragebogens kann viel Schaden anrichten.
Natürlich werden alle gesetzlich vorgeschriebenen Tests gemacht, da geht es aber um wenige konkrete Krankheiten, die auch auf einen ansonsten gesunden Empfänger
übertragen werden könnten und die nach dem heutigen Stand der Wissenschaft, noch immer nicht in allen Fällen heilbar sind. Und das versteht jeder, dass diese über Blut übertragen werden.
Theoretisch kann aber jede Erkrankung auf den Empfänger über das Blut übertragen werden können. Die Relevanz der Fragen auf dem Fragebogen ist für den Laien manchmal nicht sofort
verständlich, aber sie wurden über viele Jahrzehnte durch erfahrene Transfusionsmediziner ausformuliert, um das Risiko der Übertragung einer Krankheit - viral oder bakteriell - soweit wie möglich
zu reduzieren.
Als ich noch selbst persönlichen Kontakt mit Spendern hatte, war ich immer neugierig, was sie denn glauben, wer die meisten Blutkonserven bekommt. Circa die Hälfte der Spender gab an, sie
glauben, dass vor allem Unfallopfer und Traumapatienten die meisten Blutkonserven brauchen. Dabei kann man in dem Tortendiagramm unten sehen, dass nur etwa 12% der Blutkonserven für diese
Patienten gebraucht werden. Rechnet man noch die 4%, die nach Geburten nötig sind, kommt man lediglich auf 16% des gespendeten Blutes, dass an prinzipiell "gesunde" Patienten verwendet werden.
Mit gesund meine ich jetzt Menschen, die eben aus voller Gesundheit einen Unfall hatten und die Verletzungen sind ihr grösstes Problem. Ebenso sind die meisten schwangeren Frauen ja nicht krank -
sie verlieren nur während oder eher nach der Geburt so viel Blut, dass es ersetzt werden muss.
Die Realität sieht aber so aus, dass die meisten Blutempfänger eine Grunderkrankung haben, wodurch sie und eben auch in sehr vielen Fällen ihr Immunsystem
geschwächt sind. Und da kommt eben das Thema mit "sich gesund fühlen“ ins Spiel. Blutspender sind ja fast immer gesunde Menschen und überwinden ohne wirkliche Probleme viele virale Krankheiten
(banale Infekte wie Schnupfen) - die merken sie oft nicht einmal. Auch kleinere Verletzungen, die sich entzünden, werden nur selten "behandelt" - und wenn ja, dann eher wegen der Schmerzen und
nicht der Bakterien. Unser Immunsystem kann sehr gut damit umgehen, so dass es nach einigen Tagen schön verheilt ist.
Aber hier ein Beispiel aus der "Realität" der Blutempfänger
Sie hatten vor 4 Tagen eine Sitzung beim Zahnarzt - zur professionellen Mundhygiene. Dabei haben Sie Ihren Zahnarzt gar nicht gesehen, weil die Mundhygiene die
Assistentin gemacht hat. Also wird die Frage nach dem Zahnarztbesuch schnell mit "nein" beantwortet. Aber diese Frage stellen wir nicht, um den Status Ihrer Zähne zu erfahren. Da steckt ein
völlig anderes Problem dahinter. Bei einer Mundhygiene werden unweigerlich durch die Manipulation am Zahnfleisch Mundbakterien in den Blutkreislauf eingeschwemmt. Ihnen selbst tut es gar nichts.
Ihr Immunsystem kennt diese Bakterien und macht kurzen Prozess mit ihnen - sie werden einfach eliminiert. Wie schnell es geht, hängt von vielen Faktoren ab, ist aber für Sie irrelevant. Jetzt
gehen Sie aber Blutspenden und in Ihrem Blut befinden sich diese Bakterien. Durch die Lagerung bei 4°C werden sie sicher nicht lange überleben, aber es gibt Situationen, wo man besonders frische
Blutkonserven braucht: Frühchen, Kinder, intrauterine Transfusionen. Und in diesen Fällen kann das passieren: Ihre ganz frische, gerade gespendete Blutkonserve ist jetzt schon freigegeben, weil
alle Tests negativ waren und sie passt ganz genau zu dem Frühchen auf der Neonatologie-Intensivstation, das in der 30. Schwangerschaftswoche geboren wurde. Ein Immunsystem existiert da praktisch
noch gar nicht. Und jetzt bekommt dieses Kind Ihr Blut - und Ihre Bakterien. Ich glaube, es kann sich jetzt jeder vorstellen, was danach passieren kann.
Das gleiche gilt für entzündete Verletzungen - besonders die, die man nicht gleich sieht - die sollte man erwähnen. Auch die können das Blut mit Bakterien
verunreinigen.
Es ärgert mich immer masslos, wenn ein durch solche "Kleinigkeiten" abgelehnter Spender, ganz wütend ist und dann auch noch dem Spendearzt ins Gesicht sagt
"nächstes Mal sage ich es einfach nicht". Wir haben alle das Recht darauf eine dem Wissenstand entsprechende beste Behandlung zu bekommen. Es gibt kein "Recht auf Blutspende". Es ist eine
gute Tat, die aber nur gut ist, wenn sie selbstlos ist.
Natürlich ist der Fall, den ich oben beschrieben habe das "worst case scenario". Aber auch eine gerade transplantierte Person kann durch solche "Kleinigkeiten"
Schaden nehmen, weil sie auch immunsupprimiert ist.
Möglicherweise passiert wirklich gar nichts, aber wollen Sie das Risiko auf sich nehmen? Und nur deshalb, weil Sie glauben, dass wir Sie daran hindern, eine
gute Tat zu tun?
Es ist klar, dass in den Bundesländen die Möglichkeiten Blut zu spenden in Ihrer Nähe manchmal sogar nur 1 mal im Jahr gegeben ist. Und Sie machen sich die
Mühe, zur Spendenaktion zu fahren, nehmen sich die Zeit, füllen den Fragebogen aus, warten bis Sie dran kommen... und dann werden Sie abgelehnt, weil sich irgendeine Verletzung entzündet hat und
Sie es brav angegeben haben - Sie sind enttäuscht. Der Arzt hatte keine Zeit, um es Ihnen genau zu erklären und vielleicht sind Sie in der Vergangenheit schon einmal trotz einer Entzündung
zugelassen worden.
Ich könnte noch stundenlang über die Gefahren schreiben, die wir durch den
Fragebogen minimieren.
Aber es geht einfach darum, dass der Fragebogen wirklich sehr wichtig ist und die Tatsache, dass sich jemand topfit und gesund fühlt, heisst nicht immer, dass
sein Blut für die Empfänger wirklich unbedenklich ist.
Es gibt auch Fragen, die sind Ihnen peinlich oder Sie müssten etwas zugeben, was niemand erfahren darf. Und wenn Sie Ihr Leben nicht durch die Wahrheit
ruinieren möchten, dann dürfen Sie zwar lügen, ABER dem Spendearzt - mit dem Sie alleine sprechen (zumindest sollte es so sein) - müssen Sie sagen, dass Ihr Blut nicht verwendet werden darf. Das
nennt man FREIWILLIGER SELBSTAUSSCHLUSS und das erfährt niemand ausser der Mitarbeiter des Herstellungsbetriebes - Blutbank oder Blutzentrale. Das steht auch auf dem Fragebogen, dass Sie diese
Möglichkeit haben und wie Sie es umsetzen können. Und Sie unterschreiben auch, dass Sie es verstanden haben.
Ich selbst habe am Anfang geglaubt, dass es ein Blödsinn ist - wenn ich weiss, ich sollte nicht spenden, dann tue ich es einfach nicht. Dann habe ich aber immer
wieder erlebt, dass es doch nicht so einfach ist. Gerade Spender in kleinen Ortschaften oder aus geschlossenen Gruppen, wollen oft auf jeden Fall zur Spende zugelassen werden, um nicht in den
Verdacht zu kommen, an einer Krankheit zu leiden oder zu einer Risikogruppe zu gehören oder eben, weil Sie ein Geheimnis haben. Daraus ist der freiwillige Selbstausschluss entstanden. Dieser
bedeutet, dass der Spender scheinbar normal zugelassen wird, aber seine Spende ist von Anfang an für den Verwurf bestimmt, was er auch weiss und dem zustimmt. Wir urteilen nicht und Sie müssen
uns auch nicht sagen, warum wir Ihr Blut nicht verwenden sollen. Aber wenn Sie in einer solchen Situation sind, dann gibt es einen eben einfachen Ausweg, von dem Sie auf dem Informationsblatt in
Kenntnis gesetzt werden. Es ist besser und vernünftiger so zu handeln, als sich zu denken - es wird schon nichts passieren. Klar wird es oft "nichts passieren", aber wenn doch etwas passiert,
dann haben Sie niemandem geholfen, sondern beim Empfänger nur Schaden angerichtet.
Und es muss ja auch gar nicht sein, dass Sie etwas absichtlich verschweigen - manche Dinge vergisst man einfach. Das Aspirin, das Sie vor drei Tagen im Büro
genommen haben, weil Sie Kopfschmerzen hatten. Klingt alles total harmlos, hat aber einen großen Einfluß auf die Qualität Ihres Blutes. Wenn Sie also drauf kommen, dass Sie etwas vergessen haben
- rufen Sie bitte an und informieren Sie uns. Sie werden von niemandem ein böses Wort hören oder abfällig behandelt werden. Solche Situationen passieren und es ist überhaupt nichts dabei
zuzugeben, dass Sie es vergessen haben. Und das gilt genauso für den Selbstausschluss. Rufen Sie am nächsten Tag an - die Nummer des Roten Kreuzes finden Sie im Internet und wenn Sie direkt bei
der Blutbank, wo es verarbeitet wird, anrufen, hat es denselben Wert und wir werden uns dafür bedanken und Sie nicht verurteilen oder etwas Negatives sagen. Solange Sie vernünftig handeln,
passiert überhaupt nichts und es gibt gar keine Konsequenzen.
Und wenn Sie mal nicht verstehen, warum sie abgelehnt wurden, weil der Arzt keine Zeit hatte, um es Ihnen ausführlich zu erklären - auch da - greifen Sie zum
Telefon und fragen Sie nach. Das sind keine Geheimnisse und Sie haben volles Recht zu erfahren, warum Sie nicht zugelassen wurden.
Ok, genug davon :-). Langsam klingt es, als würden wir niemandem vertrauen.
Es ist aber ein sehr wichtiges Thema und vor allem durch den Fragebogen sind die Blutkonserven so sicher geworden.
Die Situation, dass wir durch die Testung eine Infektion finden (Hepatitis B oder C und HIV), von der der Spender nichts weiss, ist extrem selten und meist nur bei Erstspendern. Wir testen, aber
positive Spender finden wir ca. 1 mal pro JAHR!
Und niemand will, dass Sie sich ungerecht behandelt fühlen und deshalb einfach nicht mehr spenden gehen.
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